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Der Ikaros und Daedalos Zyklus Über die Radierungen Die Statuen

 

Ikaros und sein Vater Daedalos sind  Gestalten
der griechischen Sagenwelt. Als Gefangene
des Königs Minos, des Herrschers von Kreta,
gelingt ihnen die Flucht aus dem Labyrinth des Minotaurus indem Daedalos Vogelfedern  
zusammenfügt und mit Wachs zu Flügeln
verbindet. Doch trotz väterlicher Warnung
kommt Ikaros der Sonne zu nahe, das Wachs
schmilzt, die Flügel fallen auseinander und er
stürzt ins Meer.

Für mich ist diese Geschichte archetypisch.
Während dreieinhalb Jahren habe ich mich vor
allem mit dem Sturz des Ikaros auseinanderge-
setzt, sein Scheitern ist universell und gerade
in unserer scheinbar aufgeklärten Welt ohne
Tabus aktuell. Grenzen nicht zu akzeptieren
und über sie hinauszugehen ist eine spezifisch menschliche Eigenschaft. Das immer Weiter-
gehen ist Antriebsfeder eines durchaus
positiven Fortschritts.

Aber der Mensch hat auch im Zeitalter von
Atom- und Gentechnologie noch immer nicht
gelernt, sich aus freiem Willen Grenzen zu
setzen, statt dessen strebt er in der Über-
schreitung von Grenzen göttliche Macht an.
Dabei lernt der Mensch aus persönlichen
Erfahrungen offenbar ebensowenig, wie aus
der Geschichte, so daß sich Grenzüberschrei-
tung und Scheitern in immer neuen Zusammen-
hängen wiederholen. Wie Ikaros setzt er seine
Freiheit auf´s Spiel und er verliert sie, ohne es
zu merken für etwas, was besser und vor allem
neu erscheint. 

Auch Ikaros ist nicht zufrieden mit dem Grad
der Freiheit, den ihm die Flügel brachten - 
Flucht aus Gefangenschaft und Sieg über die Schwerkraft. Er erliegt der Faszination des
Fliegens, welches Freiheit von Schwerkraft
und räumlicher Beschränkung ( beides göttliche Attribute ) bedeutet. Er will im wahrsten Sinne
des Wortes höher hinaus, will sich im Bewuß-
tsein des Alles-machbaren über die Natur stellen.
Und so liegt gerade in dem Wissen (zu fliegen),
also in dem, was ihm die Freiheit brachte, der
Keim für seinen Tod.

 

Dieser Aspekt des Fliegens  interessiert
mich als Bildhauer. In Marmor, Sandstein
und Serpentinit versuche ich den Stein
zum Schweben zu bringen und dabei an
die Grenze von Gleichgewicht und Belast-
barkeit zu gehen, immer in Gefahr selbst
zu scheitern. 

Als Maler stelle ich Ikaros als Menschen
dar, als ein Geschöpf der Erde und nicht
des Himmels. Mein Thema ist sein Sturz,
dargestellt mit dem erdverbundenen und
recht schlichten, unbunten Material
Bitumen auf Leinwand und Alltags-
materialien. Die Formate beschränken sich
auf das Quadrat, entweder 24 cm oder
150 cm Kantenlänge. Viele der zwischen
Gegenständlichkeit und Abstraktion pen-
delnden Bilder thematisieren gerade den
Moment, wo die Faszination Fliegen endet
und die Katastrophe für Ikaros beginnt,
den Anfang des Sturzes. Andere, vor
allem die letzten, mehr abstrakten Arbeiten
zeigen die Auflösung im Fallen, ein Ver-
gehen nicht nur der Flügel, sondern des
ganzen Menschen.  

Die Sage des Ikaros ist auch die Geschichte
der Menschheit von Größenwahn und der
Entfremdung von dem, was uns umgibt, was
war und auch ohne uns immer sein wird.
Und je länger ich mich mit diesem Thema
beschäftige, desto klarer wird mir, daß es
auch meine Geschichte ist, die ich anfangs
noch recht distanziert und unbewußt mir
„ermalt“ habe. Ich wie Ikaros - mit dieser 
Erkenntnis schließe ich in der Malerei mei-
nen 3-jährigen Ikaros& Daedalos Zyklus  ab.

 Ikaros, ein Mensch, der durch sein Vergessen
des Mensch-Seins scheitert und durch sein
Scheiternwieder Mensch wird.

                                           Andreas Funcke

 

       
       
       
       
 
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